Samstag, 17. Oktober 2009

Armin Fiand schreibt Offenen Brief an Bundespräsident Köhler

* Der Hamburger Rechtsanwalt Armin Fiand hat sich nach der »Leipziger Rede« von Bundespräsident Horst Köhler mit einem offenen Brief an das Staatsoberhaupt gewandt:

(…) Ich verstehe nicht, wie die Abteilung in Ihrem Hause, die Ihre Reden vorbereitet, dazu kommt, Ihnen falsches oder unvollständiges Material vorzulegen. Sicherlich sitzen dort hoch bezahlte Leute, die eigentlich über ein Niveau verfügen sollten, das über das der politischen Kampfschreiber bei der Bild-Zeitung hinausgeht. Warum haben Ihre Redenschreiber nicht sorgfältiger recherchiert? Es dürfte doch nicht so schwer sein, nachzulesen, was beispielsweise der letzte Staatsratvorsitzende der DDR, Egon Krenz, er war zu jener Zeit Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrats und Mitglied des Nationalen Verteidigungsrats – zu den Ereignissen in Leipzig am 09. Oktober 1989 gesagt oder geschrieben und was das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 25.08.1997 hierzu festgestellt hat. (...)

Im Urteil des Landgerichts Berlin vom 25.8.1997, das gegen Krenz und andere ergangen ist, heißt es: »… im Herbst 1989 trug der Angeklagte Krenz maßgeblich zur Deeskalation der damaligen Situation bei, die ohne weiteres zu einem Bürgerkrieg mit unabsehbaren Folgen hätte führen können … Der Angeklagte Krenz sorgte sowohl in den Oktobertagen des Jahres 1989 mit den zahlreichen Großdemonstrationen in verschiedenen Großstädten der DDR als auch im November 1989 nach Öffnung der Mauer aktiv und initiativreich dafür, daß es zu keinem Blutvergießen kam. Die Kammer hat insoweit als wahr unterstellt, daß er im Zusammenhang mit einer für den 9. Oktober 1989 geplanten Großdemonstration in Leipzig dem Zeugen Prof. Dr. Friedrich, Direktor des Instituts für Jugendforschung der DDR, versicherte, er werde alles in seiner Macht stehende tun, um ein Blutvergießen zu verhindern. Über dieses Gespräch informierte er den Zeugen Dr. Herger, Leiter der Abteilung für Sicherheitsfragen des Zentralkomitees, und ordnete an, durch die Abteilung für Sicherheitsfragen des Zentralkomitees der SED alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte in Leipzig zu verhindern. Der Zeuge Herger schickte daraufhin zwei Mitarbeiter der Abteilung nach Leipzig mit dem Auftrag, die dortige SED-Bezirksleitung dabei zu unterstützen, die Linie der Gewaltlosigkeit unbedingt einzuhalten. Dabei stand Herger in einem ständigen Kontakt mit dem Minister des Innern Dickel. Der Angeklagte Krenz stand zugleich in ständiger Verbindung mit den Zeugen Keßler, Mielke und Hackenberg, letzterer Vorsitzender der Bezirksleitung in Leipzig, um sicherzustellen, daß diese ihm auf der Linie der Gewaltlosigkeit folgen würden.«

Hiernach ist es auch (aus meiner Sicht: sogar hauptsächlich) das Verdienst der DDR-Führung – so ungern man das hierzulande auch hören mag, weil es nicht in das übliche politische Schema paßt –, daß es am 9. Oktober 1989 zu keinem Blutbad gekommen ist. Keineswegs ist dieser Erfolg, wie Sie es darstellen, nur den Leipziger Montagsdemonstranten, der Kirche, den von ihr veranstalteten Friedensgebeten und dem Aufruf der »Sechs« zu verdanken. Und das alles wäre gar nicht möglich gewesen, wenn nicht der Zufall mitgewirkt, nämlich die Sowjetunion, warum auch immer, die DDR nicht schon damals »innerlich« abgeschrieben hätte.

Sie, sehr verehrter Herr Bundespräsident, tun in Ihrer Rede so, als würden die Sicherheitskräfte unseres Staates mit 70000 Menschen, die, weil sie mit ihrem Staat unzufrieden sind, auf die Straße gehen und »Wir sind das Volk« rufen, ganz anders umgehen. Das ist sicherlich richtig, aber nicht so, wie Sie das offensichtlich verstanden haben möchten. (...)


 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen